Geografisch wird die Region Olten als unterer Kantonsteil bezeichnet. Sportlich und handballerisch gesehen ist Olten aber spätestens seit letzten Samstag der obere Teil. Denn obwohl sich der TV Solothurn im Kantonsderby viel vorgenommen hatte, mussten die Vertreter aus dem oberen Kantonsteil gleich mit 23:30 untendurch.
Gaudenz Oetterli
Seit Urzeiten definiert die Aare den Landstrich am Jurasüdfuss, der sich seit 1481 Kanton Solothurn nennt. Physik lässt sich nicht betrügen, und so fliesst die Aare seit je her vom oberen Solothurn ins tiefer gelegene Olten. Und genau den gleichen Weg nahmen im letzten Spiel auch die zwei Punkte, die es im Duell zwischen dem HV Olten und dem TV Solothurn zu gewinnen gab. In stetem Fluss, manchmal gemächlich, teilweise etwas schneller, wanderten die zwei wertvollen Zähler von der ersten bis zur 60. Minute unaufhaltsam gen Olten zu.
Auf dem Weg der Aare steht in Flumenthal ein Wasserkraftwerk. Die Aufgabe der Solothurner Verteidigung wäre es eigentlich gewesen, im Sinne einer solchen Staumauer den Fluss zu zähmen und die Punkte im oberen Kantonsteil zu halten. Dies wollte dem TVS jedoch nicht gelingen. Wie schon öfters in dieser Saison kam das Team von Trainer Andri Tatarinoff mit einem mobilen Gegner schlicht nicht zurecht. Wie schon gegen Biel oder vor allem Visp glich die TVS-Defensive gegen Olten nicht einer Staumauer, sondern einem renaturierten Flusslauf: überall strömt das Wasser durch.
Unter Druck funktioniert die TVS-Offensive nicht
Ohne eine stabile Verteidigung, der es gelingt, den Gegner bei rund 25 Gegentoren zu halten, wirken die Ambassadoren verunsichert, es fehlen Lösungen, um die gegnerische Verteidigung auszuhebeln und im Abschluss mangelt es an Kaltblütigkeit. Das Spiel gegen Olten ist dabei kein Einzelfall. Es ist eher die Bestätigung eines Musters, das sich diese Saison schon öfters zeigte. Gerät der TVS in Rückstand und unter Druck, hemmt dies das Angriffsspiel, da keiner die Verantwortung übernehmen will, beziehungsweise derjenige mit dem nächsten Fehlwurf sein will. Die Verunsicherung wurde gegen Olten mit jeder gespielten Minute spürbarer. Und erspielten sich die Solothurner doch teils aussichtsreiche Abschlüsse, scheiterten sie ein ums andere Mal am Oltner Torhüter.
Die Dreitannenstädter hingegen taten es dem Wasser gleich. Denn Wasser findet immer einen Weg, und bekanntlich höhlt steter Tropfen den Stein. Die Oltner liessen sich durch eine kurze Führung des TV Solothurn zu Beginn der Partie nicht aus der Ruhe bringen. Sie drehten nach einem Timeout das Spiel auf ihre Seite und gaben den Lead danach nicht mehr ab. Geduldig, und doch zielstrebig, übten sie konstant Druck auf die Verteidigung der Gäste aus, fanden dabei genügend Lücken und erzielten in stetem Rhythmus ihre Treffer. Mit dem Pausenpfiff stellten sie auf 16:11 und wiesen zum Seitenwechsel ein bequemes Polster auf.
Kurzes Solothurner Aufbäumen bleibt erfolglos
Auch nach der Pause setzte vorerst Olten die Akzente, erhöhte zwischenzeitlich auf sieben Tore Differenz (19:12), ehe sich der TVS etwas fangen konnte und den anströmenden Wassermassen wieder etwas entgegenhielt. Die zwei Zähler waren da sinnbildlich ungefähr schon an Wolfwil vorbeigezogen, wo die Aare sehr gemächlich dahinzieht. Solothurn schien sich darauf zu besinnen, dass in Bannwil noch eine weitere Staumauer steht. Und tatsächlich kämpfte sich der TVS bis zur 40. Minute wieder auf 18:21 heran.
Doch auch die zweite Talsperre sollte nicht lange halten. Der HV Olten drückte zu stark und liess sich nicht aus der Ruhe bringen. Nach einer wilden Phase mit drei Fehlwürfen, zwei technischen Fehlern und einer Zweiminutenstrafe für Solothurn war der alte Vorsprung von sieben Toren innert Kürze wieder hergestellt. Darauf konnten die Hauptstädter nicht mehr reagieren und mussten zusehen, wie die Oltner die beiden Zähler in der Dreitannenstadt unten ins Trocken brachten.
Die drei wichtigsten Spiele der Vorrunde
In der Tabelle hat die fünfte Saisonniederlage für den TV Solothurn vorderhand keine grösseren Konsequenzen. Einzig Wacker Thun / Steffisburg zog mit einem Sieg vorbei und der TVS liegt neu auf dem neunten Rang. Für die kommenden Spiele gilt jetzt aber endgültig «verlieren verboten». Denn sollten die Ambassadoren in den nächsten drei Partien nicht gewinnen, käme dies einem veritablen Dammbruch gleich, da die direkten Duelle in der unteren Tabellenhälfte anstehen.
Zuerst reist Solothurn zum Zweitletzten, dem HV Herzogenbuchsee, für ein weiteres Derby. Danach trifft die Truppe von Trainer Andri Tatarinoff auswärts auf Chênois, das nur gerade einen Punkt hinter dem TVS liegt, bevor es im Dezember vor heimischem Publikum gegen das um zwei Zähler besser gestellte Lausanne/Cugy geht. Drei kapitale Spiele also, die über den weiteren Saisonverlauf entscheiden und darüber, ob der Weg des TV Solothurn ans rettende Ufer namens Mittelfeld führt, oder ob er sich in den Abstiegsstrudel hineinziehen lässt.
Foto: Urs Trösch
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