Der TVS gibt am Samstagabend in Biel einen acht-Tore(!) Vorsprung völlig unnötig aus der Hand und muss sich schliesslich dem HS Biel denkbar knapp mit 26-28 (18-10) geschlagen geben! Da die weiteren Resultate der ersten Runde nach der Weihnachtspause auch nicht für die Solothurner liefen, befindet man sich nun tief im Abstiegskampf.
Andri Tatarinoff
Wie die Kurve eines Elektrokardiogramms oder eine Fahrt auf einer Achterbahn mit bloss einem Element, in etwa so lässt sich die Leistung des TVS am Samstagabend in Biel symbolisch darstellen. Zuerst der Anstieg, dominierend, erdrückend, perfekt, übermächtig stark, ja möglicherweise die besten 30 Minuten überhaupt diese Saison – gefolgt von der Talfahrt, der kompletten Verunsicherung und den wohl schwächsten 30 Minuten. Die Ambassadoren zeigen in zwei Halbzeiten zwei komplett verschiedene Gesichter.
Improvisierte Aufstellung kämpft beherzt
Mit Abwehrchef Beer, Spielmacher Trösch, Flügelflitzer Sallin, Rückraum-Shooter Pfeuti und dem jungen Linkshänder-Talent Scartazzini, fehlten den Ambassadoren gleich deren fünf wichtige Stützen. So wurde kurzerhand Andrej Janeski als Ersatzkreisläufer in den Kader berufen, der seine ersten Minuten 1. Liga Luft schnuppern konnte. Völlig ungewohnt stiegen die Solothurner somit mit Silas Zeltner und Tim Oosterveld im Innenblock der gewohnten 6-0 in die Partie.
Die Devise für dieses Spiel war klar. Als Underdog und dann noch zusätzlich reduziert muss über die Einsatzbereitschaft jeder Meter Raum und jedes Törchen hart erkämpft werden. Und die Solothurner zeigten diesen Willen von Beginn weg sehr deutlich! Zwar gingen die Bieler durch den starken Von der Weid (am Ende 10/12) noch 1-0 in Führung, danach aber wurde den Seeländern nach und nach der Wind aus den Segeln genommen. Als hätten sie schon ihr ganzes Leben zusammen auf dem Dreier verteidigt, zeigten sich Zeltner und Oosterveld als gut abgesprochenes Paar, nahmen die Zweikämpfe frühzeitig an und zwangen die Bieler immer wieder zu Fehlwürfen und Fehlpässen.
Angriff so variantenreich wie noch selten
Ganz nach Peter Schillings Major Tom ging es auch im Angriff «völlig losgelöst». Die Rückraumachse harmonierte fast perfekt und hebelte die Bieler Verteidigung um den massiven Innenblock mit Piatek und Schläfli ein ums andere Mal gekonnt aus. Die Seeländer waren dann auch selbst früh zum Improvisieren gezwungen, da ihr Abwehrchef Piatek bereits nach 20 gespielten Minuten die zweite Zwei-Minuten Strafe sah. Dadurch wurden die Räume ständig grösser und der TVS konnte, aufbauend auf seiner sattelfesten Defensive, seine Angriffe variantenreich bis zur Pause durchziehen und den überfordert wirkenden Bielern immer weiter, bis auf 8 Tore, davonziehen.
Innert zwölf Minuten die Führung weg!
Ganz im Gegenteil zu Major Tom, der sich im gleichnamigen Hit immer weiter mit seinem Raumschiff «schwerelos» von der Erde entfernt, hat das Solothurner Raumschiff nach der Pause einen kompletten Motorenschaden. Zwar erspielen sich die Ambassadoren in den Startminuten nach Wiederanpfiff noch viele aussichtsreiche, ja gar hundertprozentige Chancen, vergeben aber sämtliche kläglich.
Dieser Umstand leitete gleich eine ganze Heerschar verheerender Folgen ein: Die totale Verunsicherung in der Offensive, ein ordentlich warmgeschossener Maxim Freese im Bieler Tor, der nun zu Höchstform auflief (46% Abwehrquote am Ende) und ein wiedererstarkter Bieler Angriff, der durch die gewonnene Sicherheit hinten nach und nach in einen «Flow» kam und fast jeden Angriff erfolgreich abschliessen konnte. Dazu kam noch, dass auch die Unparteiischen ihre Linie etwas verloren und vermehrt Entscheide zu Ungunsten der Aarestädter trafen.
So nahm das Unheil, aus Sicht des TVS, seinen Lauf und der HS Biel-Bienne glich das Skore nach 42 gespielten Minuten wieder aus. Auch ein Team-Timeout brachte keine Besserung. Zwar fingen sich die Ambassadoren nach einer Viertelstunde wieder, es gelang aber bis zum Schlusspfiff nicht mehr, das Momentum wieder auf die eigene Seite zu holen. Nach einer umkämpften Schlussphase gingen schliesslich die Bieler als knappe Sieger vom Feld.
Handball Oberaargau und Nyon La Côte siegreich
Da Herzogenbuchsee völlig entgegen den Erwartungen gegen die SG Nyon siegte und auch Nyon la Côte im Aufsteiger-Duell gegen Möhlin die Nase vorne hatte, ist einerseits der Abstand nach vorne angewachsen, während eben jener nach hinten um zwei Zähler schrumpfte. So kann man es drehen, wie man will. Der TVS steckt mitten im Abstiegskampf und man tut nun gut daran, diese Woche zu nutzen, um an seinen mentalen Schwächen zu arbeiten und am kommenden Wochenende gegen das Schlusslicht aus Thun wieder auf die Erfolgsspur zurückzukehren.
Foto: Urs Trösch

Comments