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Haarscharf an der Sensation vorbei

Am Ende hätte es nur ein wenig mehr gebraucht und der TV Solothurn wäre sensationell in den Cup-Viertelfinal eingezogen. Doch die unglaubliche Aufholaktion gegen das NLB-Team von GC Amicitia war nicht von Erfolg gekrönt. Die knappe 22:23-Niederlage schmerzt die Solothurner, doch sie können auch stolz sein auf ihre Leistung.

 

Gaudenz Oetterli

 

Laut hallte nach 60 Minuten die Schlusssirene durch das CIS. Es war ein Gefühl wie bei einer Prüfung, bei der man am Ende zu wenig Zeit hat. Nach harzigem Beginn und endlosem Studieren hat man endlich die Lösungen im Kopf und ist sich sicher, jede Aufgabe richtig lösen zu können. Doch die Zeit läuft davon. Man kritzelt im Eiltempo und voller Überzeugung und kurz bevor man zum Schluss kommt, schrillt die Pausenglocke. Die Lehrerin fordert dazu auf, den Kugelschreiber hinzulegen und die Blätter abzugeben. «Mist, wieso?», fragt man sich, «ich hätte alles gewusst.» Und trotzdem steigt der Stolz in einem hoch, weil man sich am Ende darüber freut, die Kurve noch gekriegt zu haben. «Es muss ja keine 6 sein, eine 5 ist auch gut, schliesslich war ich vorher nicht einmal sicher, ob ich genügend sein werde», denkt man sich und hakt die Prüfung ab.

 

Mühe gegen die offensive Verteidigung

 

Viele im CIS dürften sich nach dem Cup-Spiel des TV Solothurn gegen das oberklassige GC Amicitia gefühlt haben wie oben beschrieben, sowohl Spieler wie Fans. Über weite Strecken mühten sich die Aarestädter, mit dem jungen NLB-Team aus Zürich Schritt zu halten. In den ersten zwanzig Minuten war das Skore meist ausgeglichen, drei Mal traf der TVS gar zur Führung. Schon in dieser Phase machten die Zürcher Gäste den stärkeren Eindruck, doch die Einheimischen konnten sich einmal mehr auf einen bärenstarken Jan Tatarinoff im Tor verlassen. Letzterer nahm seinen Vorderleuten mit sechs gehaltenen Bällen, davon zwei Penalties, viel Druck und sorgte dafür, dass der TVS nicht den Anschluss verlor.

 

Die restlichen zehn Minuten bis zum Seitenwechsel konnte aber auch ein starker Torhüter nicht mehr retten. Den Ambassadoren gelang lediglich noch ein Treffer und so zog GC Amicitia von 6:6 nach knapp zwanzig Minuten auf 12:7 zur Pause davon. Die zweite Halbzeit sollte die Veränderung bringen, doch zunächst sah alles gleich aus wie vor der Pause.

 

Vor allem im Angriff fand der TV Solothurn keine Mittel. Er liess sich durch die offensive Deckung der Zürcher weit zurückdrängen und die entstehenden Räume hinter den vorgestellten Verteidigern wurden zu wenig konsequent angegriffen. Anstatt mit Zug zum Tor zu laufen und in Eins-gegen-Eins-Situationen einen Vorteil zu erspielen, liefen die Solothurner viel quer, was zu einigen unnötigen Ballverlusten führte. Nach 43 Minuten war das Heimteam bereits mit 10:17 in Rücklage und das Spiel schien entschieden.

 

Eine unfassbare Aufholjagd…

 

Ein guter Trainer weiss, wann er sein Timeout nehmen muss. Und noch wichtiger: er weiss, was er seinem Team in den rund 60 Sekunden mitgeben muss. Andri Tatarinoff nahm sein Timeout nach 44 Minuten, mit sieben Treffern Rückstand. Während viele in der Halle das Spiel schon aufgegeben hatten, fand der TVS-Trainer die richtigen Worte und Mittel. Und ebenso wichtig, seine Spieler setzten das Geforderte auf dem Platz um. Es war der Moment in der Schulprüfung, wenn einem kurz vor Schluss eben noch die richtigen Lösungen in den Sinn kommen und man hektisch zu kritzeln beginnt.

 

Die ballführenden Rückraumspieler des TVS attackierten plötzlich die Räume hinter den vorgestellten GC-Verteidigern, die Restlichen liefen ohne Ball in entstehende Lücken. Und die TVS-Akteure suchten endlich konsequent das Eins-gegen-Eins, was zu Zweiminuten-Strafen gegen die Verteidiger der Zürcher führte. Der verbesserte Auftritt des TV Solothurn nach dem Timeout setzte dem Gegner zudem psychologisch zu. Obwohl mit komfortablem Vorsprung unterwegs, wurden die jungen Zürcher zusehends nervös. In der Schlussphase leisteten sie sich insgesamt sechs technische Fehler und ebenso viele Fehlwürfe. Tor um Tor kämpften sich die Ambassadoren zurück ins Spiel und an den Gegner heran, bis zwei Minuten vor dem Ende gar der Anschlusstreffer zum 21:22 fiel.

 

…wird jäh gestoppt

 

Zwar war GC Amicitia danach in Ballbesitz, dennoch standen die Chancen für den TV Solothurn gut, die Partie komplett auf den Kopf zu stellen. Denn nach einem Fehlwurf der Zürcher hatte das Heimteam den Ball und die Gelegenheit, den Ausgleich zu erzielen. Doch auch die Solothurner waren nicht fehlerlos. Sie verloren den Ball und 23 Sekunden vor Schluss erzielten die Gäste den entscheidenden Treffer zum 21:23. Fast sechs Minuten lang hatten sie zuvor nicht mehr getroffen und es kann niemandem ein Vorwurf gemacht werden, wenn man nach so langer Zeit wieder einmal einen Treffer erhält. Zwar gelang dem TVS kurz vor Schluss noch der erneute Anschluss, doch das Spiel war vorbei, die Aufholjagd war zu Ende. Beendet von der dröhnenden Schlusssirene, die durch Mark und Bein fährt, wie die Pausenglocke an einer Schulprüfung, wenn man noch nicht fertig ist.

 

Was wäre möglich gewesen mit einer Minute mehr auf der Uhr und dem Momentum auf Solothurner Seite? Was wäre möglich gewesen in einer Verlängerung gegen diese jungen, nervösen Zürcher, während Solothurn viele Routiniers im Team und bereits ein Cupspiel in der Verlängerung gewonnen hat? Was wäre dies für ein Erfolg gewesen, als Erstligist in den Viertelfinal des Cups einzuziehen und dort vielleicht das ganz grosse Los zu erhalten? Es sind Fragen, die man nicht beantworten kann und am Ende auch keine Rolle mehr spielen. Der TV Solothurn war ganz nahe an der Sensation und kann mit Stolz auf ein Spiel zurückblicken, in dem er ein NLB-Team an den Rand einer Niederlage gespielt hat. Und im Sport ist es wie in der Schule: die nächste Prüfung folgt schon bald, und dann werden wir jubeln, wenn die Sirene ertönt.


Foto: Urs Trösch


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